Der Nazi-Richter von Pfaffenhofen
Ein neues Beispiel für die Verkommenheit der bayerischen Justiz liefert der Amtsrichter Frank Müller-Stadler vom Amtsgericht Pfaffenhofen/Ilm. Der hat dem jüdischen Geschäftsmann Jakov Efroni (58) ins Urteil eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens geschrieben: "Der Betroffene ist deutscher Staatsangehöriger jüdischen Glaubens." Eine Diskriminierung nur vergleichbar mit der unseligen Nazi-Zeit. Der Anlaß für das Bußgeldverfahren war dagegen eher harmlos.
Der in Bochum lebende staatlich lizenzierte Buchmacher Jakov Efroni ist unter anderem Inhaber des Wettbüros Springer auf der Trabrennbahn in Pfaffenhofen und wollte im Gewerbegebiet an der Joseph-Fraunhofer-Straße eine weitere Annahmestelle für Pferdewetten eröffnen. Allerdings nahm er das Büro vorzeitig in Betrieb, ohne die Genehmigung der Nutzungsänderung des ehemaligen Ladengeschäfts durch das Landratsamt abzuwarten. Vom Pfaffenhofener Amtsgericht wurde Jakov Efroni deshalb zu einem Bußgeld von 12 000 Euro verurteilt, womit auch der geschätzte Gewinn durch die unzulässige Nutzung abgeschöpft werden sollte.
Nicht nur die Höhe des Bußgeldes schien dem 58-Jährigen jedoch überzogen, besonders allergisch reagiert er auf einen Passus in der Urteilsbegründung. Unter der Überschrift "Gründe" heißt es gleich im ersten Satz: "Der Betroffene ist deutscher Staatsangehöriger jüdischen Glaubens." Die Empörung Efronis, dessen Mutter zur Zeit der Nazidiktatur ins Konzentrationslager Treblinka verschleppt wurde und nur mit viel Glück überlebte, teilt auch die Mainzer Fachanwältin für Sozialrecht, Erdmute Emden, und nicht nur das: Sie stellte jetzt – nachdem sie Kenntnis von dem Fall erlangt hatte – bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt Strafantrag gegen den zuständigen Richter wegen Rechtsbeugung nach § 339 Strafgesetzbuch.
Die umstrittene Formulierung rechtfertigt nach Überzeugung der Mainzer Anwältin den "Verdacht einer antisemitischen Einstellung" bei dem Richter Frank Müller-Stadler, der bekennendes CSU-Mitglieds ist, einer Partei, die in ihren Gliederungen in Regensburg (also dem Nachbar-Landgerichtsbezirk von Ingolstadt) vor noch nicht allzu langer Zeit durch rechtsextreme Umtriebe aufgefallen war. Besonders berührt fühlt sich Efroni durch die Frage des Richters Müller-Stadler im Verhandlungstermin: "Haben Sie überlegt, ob Pfaffenhofen der richtige Ort für Sie ist?" Mehr als eine Peinlichkeit, angesichts von Ortsschildern in der Nazizeit, in denen Gemeinden stolz kundtaten: "Dieser Ort ist judenfrei". Auch das weitere Vorgehen des Richter-Nazis lasse "erhebliche Zweifel an der für die Ausübung der richterlichen Tätigkeit erforderlichen Unvoreingenommenheit und Unabhängigkeit" erkennen, fordert Efronis Rechtsanwältin deshalb dienst- und strafrechtliche Ermittlungen.
Dass der Hinweis auf den jüdischen Glauben Efronis in der Urteilsbegründung deplatziert und "nicht nachvollziehbar" ist, hatte auch die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg auf dessen Rechtsbeschwerde hin bestätigt. Das Oberlandesgericht Bamberg gab dem Einspruch des Efroni-Anwalts Thomas Böhmer gegen die Höhe des Bußgeldes statt. Das OLG entschied, dass die Gewinnabschöpfung und damit die Höhe des Bußgeldes nicht geschätzt werden darf, sondern anhand konkreter Zahlen vom Pfaffenhofener Amtsgericht neu festgelegt werden muss.
Diskriminiert fühlt sich Jakov Efroni auch durch das, was nach der OLG-Entscheidung passierte – und Rechtsanwältin Erdmute Emden sieht darin eine klare Verletzung des "Übermaßverbots" durch den zuständigen Richter. Um die Einkommensverhältnisse des 58-Jährigen zu klären, ordnete der Amtsrichter eine Großrazzia in Efronis Privathaus und seinen Büros an. Diese wurde durchgeführt – zu einem Zeitpunkt, wie Efroni-Anwalt Böhmer kritisiert, zu dem bereits sicher und dem Amtsgericht Pfaffenhofen bekannt gewesen sei, dass die Nutzungsänderung vom Verwaltungsgericht nachträglich genehmigt werde, und sein Mandant erklärt habe, die erforderlichen Unterlagen sobald wie möglich nachzuliefern. Der Anwalt ("Da wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen") legte daraufhin Beschwerde gegen die Durchsuchung vor dem Landgericht Ingolstadt ein und bekam Recht: Der Durchsuchungsbeschluss verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei deshalb "rechtswidrig". Die Mainzer Anwältin Erdmute Emden meint sogar, "die angeordneten Maßnahmen hatten strafähnlichen Charakter und standen erkennbar nicht im Verhältnis zur Höhe des festzusetzenden Bußgeldes", wie es in der weiteren Begründung für ihre Strafanzeige heißt.